Über Augenzeugen, Zweifel und dass die Sache mit Gott wahr ist

Ostersonntag 1 Kor 15, 1-11

Liebe Gemeinde,

Augenzeugen sind wichtig. Augenzeugen beweisen, dass etwas stimmt, denn sie haben es selbst gesehen, sie waren dabei, die kann man nicht täuschen. So etwas muss Paulus gedacht haben, als er den Brief an die Korinther schrieb, um ihnen weiterzugeben, was er selbst empfangen hat. Ich lese aus dem ersten Korintherbrief, Kapitel 15:

„Denn als erstes habe ich euch weitergegeben, was auch ich empfangen habe: Dass Christus gestorben ist für unsere Sünden nach der Schrift; und dass er begraben worden ist; und dass er auferstanden ist am dritten Tage nach der Schrift; und dass er gesehen worden ist von Kephas (das ist Petrus), danach von den Zwölfen. Danach ist er gesehen worden von mehr als 500 Brüdern auf einmal, von denen die meisten noch leben, einige aber sind entschlafen. Danach ist er gesehen worden von Jakobus, danach von allen Aposteln. Zuletzt von allen ist er auch von mir als einer unzeitigen Geburt gesehen worden.“

Augenzeugen für die Auferstehung. Schon damals also glaubten die Menschen einem Wunder nicht so ohne weiteres. Wer wusste schon, ob da nicht jemand getrickst hatte, etwa die Leiche von Jesus geklaut oder versteckt. Da musste schon jemand sagen können: Ich habe es mit meinen eigenen Augen gesehen. Also zählt Paulus alle auf, die ihm einfallen. Und vergisst dabei die Frauen, die doch die ersten waren, denn was eine Frau gesehen hatte, zählte damals nicht. Es mussten schon wichtige Leute oder sehr viele sein, damit das verlässlich stimmte: Jesus ist auferstanden.

Damit die Auferstehung wahr war und Ostern auch, damit unsere Hoffnung auf ein Leben nach dem Tod und durch den Tod hindurch nicht vergebens ist, nicht naiv oder einfach nur dumm.

Dass das einfach verlässlich stimmt, das hätten wir vielleicht auch gern, dann wäre es leichter, sich darauf zu verlassen, wir gewönnen Sicherheit und hätten einen unverrückbaren festen Punkt in unserem Leben. Es wäre einfach richtig und wahr: Jesus ist auferstanden, und Gott ist, und ist da, und rettet uns aus dem Tod.

Es wäre allgemein anerkannt, woran für uns doch alles hängt: Die Sache mit Gott ist wahr, er ist der Herr über Leben und Tod, und er hat Jesus auferweckt und das stimmt, denn viele haben ihn, Jesus, danach lebendig gesehen, immer wieder, vierzig Tage lang.

Es hat schon damals nicht richtig funktioniert, das mit den Augenzeugen. Für manche war es überzeugend, ja, sogar für viele, aber längst nicht für alle. Auch damals wussten die Leute von Einbildung und falschen Fakten, und viele sagten: Solange ich selbst ihn nicht gesehen habe, glaube ich gar nichts. Und manchmal sahen sie ihn wie der ungläubige Thomas und durften ihn sogar anfassen und waren dann überzeugt, aber für die meisten war das nicht so, und nach der allerersten Zeit war es sowieso nicht mehr so, und für uns heute gilt, was Jesus zu Thomas gesagt hat: Selig sind, die nicht sehen und doch glauben.

Wir haben also nichts in der Hand, keinen Fixpunkt, den niemand anzweifeln und in Frage stellen kann. Wir sind auch keine Augenzeugen. Wir sind Glaubende und Zweifelnde und Sehnsüchtige und Ungläubige und Suchende und Hoffende und die meiste Zeit ein Mix aus alledem.

Und gerade für uns ist heute wieder Ostern geworden.

Gerade für uns, die nicht dabei waren und gesehen haben, die mit Jesus nicht am Tisch gesessen haben wie die Emmaus-Jünger, für uns gilt das, was Paulus selber gehört und dann weitergesagt hat, und was durch die Jahrhunderte immer weitergesagt wurde bis zu uns, und was wir gehört haben und glauben, oder glauben wollen, oder gegen allen Augenschein hoffen.

Die Botschaft kam zu uns. Die Botschaft: Die Sache mit Gott ist wahr, er ist der Herr über Leben und Tod, und er hat Jesus auferweckt und das stimmt, denn viele haben ihn, Jesus, danach lebendig gesehen, immer wieder, vierzig Tage lang.

Und die Botschaft holt uns in die Geschichte von Ostern hinein und lässt es für uns passieren und uns ganz nah dran sein an diesem Morgen damals, an dem alles anders wird für die ganze Menschheit, an dem alles anders wird für uns, schon damals für uns, an dem das Leben neu geworden ist für jeden und jede von uns ganz persönlich. Die weitergesagte Botschaft holt uns in das Geschehen hinein, als wäre wir selbst am Ostermorgen am Grab oder unter den Jüngern und Jüngerinnen, denen die Frauen erzählen, dass Jesus lebt, oder gehörten zu den 500 Augenzeugen, von denen Paulus erzählt.

Für uns ist Ostern. Auch wenn wir nicht sicher sind und auch an Tagen, an denen wir gar nicht glauben, ist für uns Ostern, ist Christus für uns auferstanden, ist die Welt verwandelt und die Hoffnung groß und das Leben gerettet.

Ehrlich gesagt, die Unsicherheit und die Zweifel kriegen wir nicht weg, und wir kriegten sie auch nicht weg, wenn wir vor 2000 Jahren gelebt hätten und körperlich dabei gewesen wären. Denn damals wie heute gibt es so viel, was die Botschaft falsch aussehen lässt oder naiv.

Damals wie heute gibt es so viel, was grausam ist und brutal, ungerecht und zerstörerisch, mörderisch und zum Verzweifeln. Ich glaube, Ihnen fällt so wie mir schnell viel ein, das wie das Gegenteil von Ostern aussieht: wenn Kinder Kinder umbringen, wenn ein Krieg nicht zu stoppen ist, wenn Naturkatastrophen Tausende aus dem Leben reißen, wenn Krankheiten unheilbar sind und wenn es uns allen nicht gelingt, die Erde lebenswert zu erhalten.

All das sieht aus wie das Gegenteil von Glauben und von Ostern. Weil es so viel ist, dass wir kaum dagegen anhoffen können. Weil es so massiv ist, dass wir oft denken: Es ist eben so und wird so bleiben. Und weil es schon so lange so ist, dass wir oft denken: Gott, wie lange noch? Wie lange noch, bis dein Reich kommt?

Es ist beides gleichzeitig und nebeneinander: die Osterbotschaft vom neuen Leben und dem Sieg über den Tod und dem Ende von Leid und Verzweiflung, und unsere Welt, die eben auch von Tod und Gewalt und enttäuschter Hoffnung bestimmt ist. Es ist beides gleichzeitig und nebeneinander, es steht beides in Spannung zueinander, wir müssen diese Spannung aushalten und leben in ihr.

Jetzt ist beides gleichzeitig und nebeneinander, die Osterbotschaft vom Leben und die von Gewalt gezeichnete Welt. Jetzt ist beides nebeneinander und gleichzeitig, weil die Osterbotschaft von Jesu Auferstehung dazugekommen ist.

Vor Ostern, vor der Auferstehung damals, war nur die von Gewalt und Tod gezeichnete Welt. Und eine vage Hoffnung auf Gott. Seit Ostern ist diese Hoffnung stark und konkret und die Versöhnung und das Leben in Gottes Reich sind real.

Seit Ostern gibt es für uns diese radikale, starke Hoffnung, seit Ostern wird die Botschaft von dieser Hoffnung weitererzählt und seitdem haben wir sie im Ohr und tragen wir sie im Herzen, manchmal laut und stark, manchmal eher verzagt, leise und unsicher, aber sie ist da. Sie ist, dafür stehen Paulus Augenzeugen, nicht wieder aus der Welt zu kriegen, diese Hoffnung, die für uns alles anders aussehen lässt heute Morgen und uns froh macht und zuversichtlich und uns hoffen lässt, dass sie wahr ist, die Botschaft, dass sie wahr wird an uns und an allen.

Sie ist nicht aus der Welt zu kriegen, diese Botschaft vom Leben aus dem Tod, weil der, der die Welt gemacht hat, sie in die Welt gesetzt hat. Darüber können wir so richtig froh sein!

Und manchmal sehen wir dann auch, dass sie wahr ist, und werden selber, trotz der Verschiedenheit der Zeiten, zu Augenzeugen und Augen-zeuginnen für das Leben aus dem Tod.

So wie damals Paulus.