Geistlicher Impuls zum Gedenken am 1. September

Superintendentin Dr. Ilka Werner (IW): „Selig die Trauernden; denn sie werden getröstet werden.“

So die Seligpreisung aus der Bergpredigt Jesu.

Und in der hebräischen Bibel lesen wir: „Ich will ihre Trauer in Freude verwandeln und sie trösten.“ (Jer 31,13)

Stadtdechant Michael Mohr (MM): Auf den ersten Blick verstörend: Selig die Trauernden? Trauer in Freude verwandeln? Kann das überhaupt sein frage ich mich. Mein Glaube sagt mir: Ja. Da ist Licht und Hoffnung, auch wenn ich das nicht sehe. Davon bin ich zutiefst überzeugt. Und nur deswegen kann ich versuchen, mit denen, die Opfer geworden sind und mit allen, die an Leib oder Seele verwundet worden sind, auszuhalten. Stumm, mit Tränen in den Augen, mit einer Kerze, einem Gebet. Mit Hoffnung auf das Licht, das Gott selbst in der Welt ist.

Kurze Stille

MM: „Selig die Barmherzigen; denn sie werden Erbarmen finden.“

Im Koran lesen wir (Sure 42: 28) „Und Er ist es, der, nachdem sie schon alle Hoffnungen aufgegeben haben, reichlichen Regen vom Himmel herabkommen und ihnen seine Barmherzigkeit zukommen lässt.“

IW: Barmherzigkeit. Nächstenliebe. Mitmenschlichkeit. All die Menschen, die jetzt aufeinander achten, nacheinander fragen, einander zuhören und ein Gespür dafür entwickeln, wie jetzt Zusammenhalt gelingt. Mitgefühl. Barmherzigkeit. Aber auch Wissen, Kompetenz, Professionalität. Wie lebensnotwendig das ist, haben wir in den vergangenen Tagen gespürt. Ersthelfer, die beherzt und mutig Leben gerettet haben. Einsatzkräfte, die die Panik in den Griff bekommen und die Situation stabilisiert haben. Notfallseelsorger:innen, die für die Menschen da sind, in der Tatnacht und seitdem jeden Tag. Wir danken Gott für diese ausgebildete Barmherzigkeit, für diese Menschen.

Kurze Stille

IW: „Selig, die Frieden stiften; denn sie werden Kinder Gottes genannt werden.“

Und in der hebräischen Bibel heißt es im Psalm 34: „Suche den Frieden und jage ihm nach“

MM: Friedensstifter – Friedensjäger. Wir Menschen können vielleicht gar nicht Frieden „machen“. Aber wir können ihn suchen und ja, wir können auch Frieden stiften. Gerade jetzt, wo Hass, politische Instrumentalisierung und das leider übliche Geschrei Raum greift gilt es, den Frieden zu suchen. Das Verbindende. Und wenn es die Trauer, die Fassungs- und Sprachlosigkeit ist, die uns verbindet. Jetzt ist die Zeit zu trauern. Jetzt ist die Zeit, sich miteinander zu verbinden. Jetzt ist die Zeit, den Frieden zu suchen.

Kurze Stille

MM: „Selig, die hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit; denn sie werden gesättigt werden.“

Und im Koran heißt es: „Ihr, die ihr glaubt, steht für die Gerechtigkeit ein als Zeugen für Gott“ (Sure 4:135)

IW: Wie geht es jetzt weiter? Wie geschieht Gerechtigkeit? Debatten über Schuld und Verantwortung sind in vollem Gange, vor allem in sozialen Medien. Eigentlich sind es keine Debatten, denn es geht nicht um Argumente oder Einschätzungen, sondern um Behauptungen, Beleidigungen und Meinungsmache. Gerechtigkeit aber braucht Besonnenheit, und die hat es schwer. Woher kommt da Hoffnung? Wie wollen wir die Zukunft gewinnen, gestalten? „Hass bringt uns nicht weiter. Wir müssen Freunde sein“ hat Mevlüde Genc immer wieder gesagt.  Sie hat recht: Hass bringt uns nicht weiter. Wir müssen Freunde sein.

Trauer. Barmherzigkeit. Frieden. Gerechtigkeit. In diesen Worten steckt große Sehnsucht, die wir vor Gott bringen: Mach du, Gott, Adonai, Allah, mach du Gott, dass diese große Sehnsucht immer mehr Wirklichkeit wird. Und gib uns Kraft und Mut, das Unsere dazu zu tun.

Kurze Stille

IW: Und was immer ihr hofft, was immer ihr glaubt: Möge Gottes Segen euch durch diese Tage und Wochen tragen!

Friede sei mit euch!

MM: Shalom Alechem!

IW: Salam aleikum!