Andacht zur Perspektivwerkstatt der Stadtkirchengemeinde
„Wenn Menschen zusammenkommen, muss man mit Wundern rechnen“ –
Dieser Satz steht heute in meinem Fastenkalender.
Und er passt.
Wenn Menschen zusammenkommen, muss man mit Wundern rechnen. So wie damals, als Jesus gelebt hat und die Leute in Scharen kamen, wenn er redete und von Gott erzählte. Er konnte spannend erzählen und die Leute vergaßen die Zeit darüber und oft wurde es Abend und alle bekamen Hunger und niemand hatte sich um Essen gekümmert. Und dann hatte doch jemand ein paar Brote und ein paar Fische, und das reichte Jesus für ein Wunder.
Heute ist es anders. Wir haben uns ums Essen gekümmert. Aber es kann spannend werden, wenn wir heute ins Gespräch kommen, und wir können die Zeit vergessen und auf verrückte Ideen kommen und die können sich anfühlen wie ein Wunder. Ein Wunder, das einer Geschichte, die zu Ende zu gehen scheint, eine neue Wendung gibt.
Mir fällt Josef ein. Der mit den vielen Brüdern, vielleicht erinnern sie sich an seine Geschichte. Er ist der Lieblingssohn seines Vaters, und der schenkt ihm richtig coole Klamotten. Stolz rennt er zu seinen Brüdern und zeigt sich: „Mega, oder?“
Aber die Brüder sind nicht beeindruckt, sie sind genervt. „Hau ab, schleich dich!“ schicken sie ihn weg. Bis sie eines Tages so wütend sind, dass sie ihn in einen Brunnen werfen, aus dem er nicht selbst herauskann. Es ist ein bisschen unklar, ob sie ihn umbringen wollen, aber auf jeden Fall wollen sie, dass seine Angeberei endlich aufhört. Und so scheint Josefs Geschichte unten im Brunnen zu Ende zu sein. Scheint.
Denn dann kommt eine Karawane vorbei, und die Leute ziehen Josef aus dem Brunnen und nehmen ihn mit in ihr Land Ägypten, wo er eine wunderbare Karriere macht und am Ende seine Sippe in Zeiten der Hungersnot rettet. Als Josef und die Karawanenleute zusammen kommen, geschieht das Wunder der Rettung. Als Josef und die Leute in Ägypten zusammen kommen, geschieht das Wunder eines Aufstiegs. Als Josefs Brüder nach Ägypten kommen, um Korn zu kaufen, geschieht das Wunder des Überlebens. In der Bibel steht am Ende, dass Josef sagt: „Ihr gedachtet es böse mit mir zu machen, aber Gott gedachte es gut zu machen – um unser Volk am Leben zu halten“.
Wenn Menschen zusammenkommen, muss man mit Wundern rechnen.
Vielleicht passieren heute Wunder für diese Gemeinde!
Sicher haben schon Leute gedacht, wenn sie an dieser Kirche vorbeigingen, dass die Gemeinde da drin am Ende ist wie damals Josef im Brunnen. Und vielleicht haben manche gedacht: „Geschieht ihr recht, der Kirche, was hat sie immer angegeben und alles besser gewusst und war mit Gott per du – und doch sind schlimme Sachen wie Missbrauch passiert und waren da Leute, denen nicht geholfen wurde, als sie in Not waren.“ Und manche denken vielleicht: „Die braucht keiner mehr, die Kirche.“ Und sie gehen vorbei und lassen die Kirche im Brunnen.
Und dann scheint die Geschichte dieser Kirche hier zu Ende zu gehen. Scheint.
Denn wer weiß, ob die Leute, die gestern und heute hergekommen sind, um gemeinsam Perspektiven für die Stadtkirche zu entwickeln, wer weiß, ob es denen und also uns nicht gelingt, die Gemeinde aus dem Brunnen zu ziehen und zu retten, und wer weiß, wofür sie dann gut ist, die Gemeinde, und was für eine Zukunft sie noch hat und wem sie zu Rettung wird in schweren Zeiten.
Wer weiß, ob wir in ein paar Jahren über diese Kirche und die Gemeinde in ihr sagen: Gott gedachte es gut zu machen – damit diese Gemeinde seine Botschaft weitererzählt. Und sich wundert an seinen Wundern.